20. bis 22. Mai 2011
Ausgerüstet mit einem neuen Koffer, der Alte hat auf der Fahrt von Oldenburg nach Kiel ein Bein, äh, ein Rollrad, verloren, ist die Autorin auf Reisen für alles bereit. Ich empfehle allen, die sich auf Reisen begeben, besonders denen, die öfter aus Zügen bzw Flügen ein- und aussteigen und von Bahnsteig zu Bahnsteig, Unterkunft zu Unterkunft rollen müssen, einen Koffer mit vier Rädern. Sie lassen sich viel besser manövrieren, als die, die man ziehen muss! Außerdem ist dieser neue Koffer mit einem raffinierten Reißverschluss ausgestattet, der dem Reisenden bei Bedarf etwa 5cm extra Packraum erlaubt. Genial für jemanden, der für sechs Wochen Lesereise immerhin mehrere, verschiedene Outfits mit sich tragen muss.
Ostfriesland ist im Westen von der Nordsee begrenzt und stößt im Süden an die holländische Grenze. Im Norden reicht es nicht ganz bis an die Weser, und im Osten bis an den Landkreis Emsland. Ostfriesland ist Nordfriesland nicht unähnlich – das Land ist herrlich flach, man kann von Horizont zu Horizont schauen, ohne das Maulwurfhügel oder sonstiges Gebirgiges den Blick versperren. Sorry, meine südlichen Freunde: Ich schau mir eure Hügelketten und Gebirgszüge gern einmal an. Sie sind imposant und durchaus erhebend – aber meine Seele verlockt, wenn das Land sich weit und ebenerdig vor mir erstreckt. Der Himmel erhebt sich blau und weit über den grünen Marschen, die von unzähligen Kanälen durchzogen und von Windmühlen besät sind. Die Orte tragen Namen wie Südbrookmerland, Westoverledingen, Ostrhanderfehn, Neuharingersiel ...
Hier wird das Ostfriesische Platt gesprochen, das in meinen Ohren weicher, fließender klingt als das Platt, mit dem ich aufgewachsen bin. Fast könnte man meinen, man höre niederländisch. Es eignet sich herrlich zu melancholisch angehauchten Chansons – wie das Otto Groote Ensemble sie vorträgt. „Ik bün tohuus in‘t blaue Lücht van d‘ Nörden“, singt Otto Groote und erweckt in mir die Sehnsucht nach meiner Heimat. Als ich in Emden aussteige, bestätigen sich seine Worte. Viel mehr Zeit bräuchte man, um sich diese hübsche Gegend wirklich anzuschauen – ich habe knapp drei Tage. Aber Margritt Kubik-Harms, meine Gastgeberin, die zusammen mit Otto Groote meinen ostfriesischen Aufenthalt geplant hat, gelingt es trotzdem, mir die Besonderheiten dieses Landstriches vorzustellen. Und seltsam, obwohl ich doch auf einer Insel aufgewachsen bin, die von der Landwirtschaft geprägt ist, hatte ich mir nie die Mühe gegeben, Kühe kennenzulernen. Das hole ich nun nach, denn Margritt und Herberts Grundstück grenzt an eine Weide, auf der sich schwarz-weiße Kühe tummeln (keine Ähnlichkeit besteht zwischen dem Gastgeber und dem Kater meiner Familiengeschichte, obwohl sie beide den schönen Namen Herbert tragen). Früh am Morgen ist das Vieh voller Lebenslust! Ähnlich unserer Hunde, die zu ihrem morgendlichen Lauf entlassen werden, rennen die Kühe über die Weide und jagen einander in fröhlichem Spiel. Genau wie unser Pudel Otto seinen großen Bruder nach dem Aufwachen mit Nasestubben und Küsschen begrüßt, reibt eine Kuh der Anderen zärtlich die Wange. Meine Gastgeber erzählen mir, wenn ihre Kinder im Garten Tischtennis spielen, versammeln sich die Kühe am Zaun und verfolgen das Spiel so interessiert, wie das Publikum des Australian Opens. Also wundert Euch nicht, sollte demnächst eine Kuh eine entscheidende Rolle in einem meiner Romane spielen.
Und es stimmt: Tee wird in Ostfriesland in Massen getrunken. Keine Gelegenheit wird ausgelassen, um einen großen Topf wohlschmeckenden Tees aufzugießen, der natürlich mit Klüntjes (Kandis) und Sahne genossen wird. Ich fröne meiner Teelust mit unzähligen Tassen – muss nur zum Ausgleich manchmal um eine Tasse Kaffee bitten.
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