Sonntag, 31. Juli 2011

Montag und kein Landhaus oder „Erwarte nur das Unerwartete“


6. Juni 2011
Eine gute Bekannte versucht, mir eine neue Lebensphilosophie einzubleuen: „Erwarte nur das Unerwartete“. Schwer für jemanden für mich, der gern alles bis ins letzte i-Tüpfelchen plant! Lange bevor ich abreiste, lag ich oft des Nachts wach und spielte mir die Reise und meine Termine in meinem Kopf wie einen Film ab. Wenn ich bei Montag, den 6. Juni ankam, machte mein Herz immer einen kleinen, erwartungsvollen Freudenshüpfer. An dem Abend sollte nämlich eine ganz besondere Lesung stattfinden, an einem Ort, an dem die kulinarischen Lesungen überhaupt begannen. Im Landhaus Laura in Oevenum auf Föhr.  „Wir machen eine Lesung mit einem Menü, das auf dein Buch abgestimmt ist!“ sagte Jörn Sternhagen anno 2008, als Die Frau des Marschbauern herauskam. Jörn zauberte ein Diner par excellence, der Abend war so erfolgreich, das wir ihn in derselben Woche noch einmal wiederholten. Im folgenden Jahr wurde ich eingeladen,  Die Stimmen der Villa Blanke Hans dort vorzustellen, und wir verabredeten uns gleich fürs nächste Buch. Inzwischen sind die Sternhagens zu Freunden geworden, die zu sehen, ich mit Freude erwarte. Und so begeistert war ich vom Landhaus Laura, das ein Kapitel im neuen Buch, Am Galliberg, sogar im Landhaus Laura spielt. „Stell mir ein Menü zusammen, dass du einer Familienfeier im Oktober servieren würdest“, schreibe ich Jörn. Und er ist gefällig- das Menü findet Ihr im Buch! Sogar Oses Blaue Bowle soll ihren Einstand als Aperitif halten. Eine Familienfeier, genauer gesagt eine Hochzeit, führt dann dazu, das die Lesung im Landhaus Laura im Jahr 2011 abgesagt wird. Über die denkbar schlechteste Verbindung, dreimal versagt das Handy ganz und gar, teilt Jörn mir mit, dass die Lesung am Montagabend nicht stattfinden kann. Ich hätte  zuviele Lesungen auf Föhr, sagt er. Er könne nicht mit den billigeren Angeboten der beiden anderen Restaurants konkurieren. Es gäbe zu wenig Anmeldungen. Seine Gäste führen alle schon am Sonntagabend ab. Und da wäre halt die Hochzeit, die er angenommen hätte...                                                                                
Erwarte nichts, und Unerwartetes kommt ... sagt meine weise Bekannte. Also versuche ich die riesige Enttäuschung zu schlucken. (Aber ich habe mir doch extra etwas ganz Neues zum Anziehen für diesen Abend gekauft, jammert meine Kummerseele!) Ich klaube meine ganze Zuversicht zusammen und versuche mich auf die Positiva zu konzentrieren. Dazu gehört, dass ich heute meinen kleinen, vorbestellten Mietwagen abholen darf. Mit der Abreise meiner Schwester brauche ich da draußen in meiner Abgeschiedenheit einen Wagen. Einen Toyata Yarris hat Herr Simonis von der Autovermietung Föhr[1] mir versprochen. Ich habe diese Firma gewählt, weil die Gartenstraße in Wyk leicht zu Fuß zu erreichen ist. Dann kannn ich mein Auto abholen, nachdem ich meine Schwester zum Hafen gerbacht habe. Laut muss ich lachen, als ich mein Autochen sehe! Es ist eins dieser Dinger, die von vorn keck, sogar elegant ihren Konkurenten auf der Straße entgegen grinsen. Aber hinten ist was schief gegangen, das Hinten fehlt nämlich! Dieser deutsche Toyata Yarris hat die Form eines Smarts! Toll! Herr Simonis erklärt den Gebrauch geduldig, setzt sein Vertrauen in meine Fahrkünste meiner leichten Nervosität entgegen – wie lange ist es her, seit ich ein Auto mit Gangschaltung gefahren habe? Und siehe da, es geht gut. Nein, es geht super!! Dieses Auto ist ein Spaß und eine Freude zu fahren. Ich flitze die engen Marschwege entlang. Lasse mich nicht einschüchtern, auch wenn  mir ein Bauer auf einer Landwirtschaftsmaschine mit gigantischen Ausmaßen entgegenkommt, die einem Horrorfilm entsprungen sein muss. Ein einziges Rad dieses Dings ist größer als mein ganzes Auto. Und es braust auf mich zu, so dass ich mich schon im Straßengraben sitzen sehe, weicht erst im allerletzten Moment zur Seite. Puuhh ... Aber sonst geht alles wunderbar – bis ich zurücksetzen will. Den Hebel hochheben hat Herr Simonis gesagt. Hmm, ich hebe, der Wagen rollt vorwärts. Nochmal, wir nähern uns dem Gebüsch. Beim nächsten Mal stecken wir mit der Nase im Blattwerk. Ich erwäge, dass es gar nicht so schwer sein würde, auszusteigen, das Autochen hochzuheben und umzudrehen, bis wir in die richtige Fahrtrichtung zeigen, als mein netter Nachbar aus der Wohnung oben mir zur Hilfe kommt. Lächelnd deutet er auf einen Ring, der unter dem Knuppel sitzt, der den Hebel der Gangschaltung krönt. Dieser Ring muss angehoben werden ... Aha. Ein Erfolgserlebnis, das beinah über den verdorbenen Abend hinwegtröstet. Aber dann passiert das wirklich Unerwartete. Ich besuche nämlich Jörg Stauvermann von dem Büro für Strategik-Konzeption-Gestaltung Aalhai[2]. Er hat mir mit meinen Postern geholfen, und ich bin so begeistert von seinen innovativen Entwürfen, dass ich später noch ein Poster direkt bei ihm bestelle. Auch er ist einttäuscht, dass der Abend im Landhaus Laura ausfallen soll, hatte er doch seine Teilnahme geplant. „Dann mach doch was in Grethjens Gasthof!“ schlägt er vor und greift auch sofort zum Telephon. Bevor ich Einwürfe formulieren kann, hat er schon ein Einführungsgespräch für mich organisiert! Ich bin platt – und hocherfreut. Ich schließe den Abend mit einem Spaziergang ab. Eigentlich will ich nur die Kurpromenade bis zum Südstrand entlanggehen. Aber der Abend ist so still, die Abendsonne auf dem Watt so beruhigend, dass ich weiterlaufe. Und auf einmal habe ich Lust, im Pfannkuchenrestaurant einzukehren. Dieses freundliche Familienrestaurant liegt an einem bedeutenden Kurpark und hat einen herrlichen Garten. Ich sitze in einem Strandkorb, freu mich an den Kletterrosen, am Plätschern des Springbrunnen, und esse im flackernden Licht eines Windlichts einen Spinatpfannkuchen. Ganz für mich allein.                                                                                           Übrigens: Wider aller Erwartungen, gelingt es mir, stets auf der rechten Seite der Fahrbahn zu bleiben! Nur beim Linksabbiegen sage ich mir vorsichtshalber laut vor: „Auf der rechten Straßenseite ankommen.“ Das Linksabbiegen ist im Rechstsverkehr gefährlich, wenn man an Linksverkehr gewöhnt ist.
  

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