Sonntag, 31. Juli 2011
Erlebnis Föhr - Der Andelhof
2. Juni
Sogar Föhrer haben Schwierigkeiten, den Andelhof zu finden, so gut versteckt ist er. Auf der Umgehungsstraße fahren wir an Wyk vorbei und bevor wir Boldixum erreichen, biegen wir rechts in die Marsch ab. Noch einmal rechts und schon sind wir auf dem Siedlerweg, den ich während der nächsten Tage so gut kennenlerne. Dieser Weg führt durch grüne Weiden, vorbei an Mais- und Weizenfeldern durch die Marsch. In der Ferne begleitet uns der Deich. Der Weg macht eine scharfe Kurve, fährt man weiter geradeaus erreicht man die Boldixumer Vogelkoje, eine geniale (und humane) Fangstation für Wildenten und –gänse, die jederzeit besichtigt werden kann. Noch schmalere Wege nach rechts und links haben keine Namen, Schilder weisen auf numerierte Aussiedlerhöfe hin. Ab und zu fahren wir an einem dieser Höfe vorbei. Von Bauminseln umrandet, wirken sie fast wie kleine Burgen im flachen Land. Dann winkt uns eine blau-weiße Flagge zu. Bayern auf Föhr? Haben wir uns verfahren? Es ist die Radlerrast, die einzige Fahrradtankstelle auf Föhr! Sie bietet müden Fahrradfahrern erfrischende Getränke und deftige Mahlzeiten. Auch wir haben schon auf dem sonnigen Hof gesessen und die Gastfreundschaft genossen. Und irgendwo hier, am Ende einer der schmalen Wege und direkt vor dem Deich liegt der Andelhof. Wir probieren es: bei „Aussiedlerhof 16, 17, 18“ biegen wir rechts vom Siedlerweg ab, und siehe da: Wir sind richtig. Eine freundliche, lichte Ferienwohnung erwartet uns hier. Nur wenige Schritte weiter ist die Straße von einem Gatter versperrt, dahinter dehnt sich gleich der Deich. An zwei Seiten ist der Andelhof von einem weitläufigen, re-natuierten Feuchtgebiet umgeben, auf dem Wiesen- und Zugvögel leben, rasten und brüten. Dieses Feuchtgebiet gehört zum Verein Elmeere[1], der sich bemüht, auf der Insel selten gewordene oder von Aussterben bedrohte Vogelarten, zu schützen. Auf dem Andelhof ist man von Natur-pur umgeben! Hier hört man die Vögel, das Blöken der Schafe, das Muhen der Kühe, das Säuseln des Windes im Schilf, und ab und zu fliegt ein Flugzeug vorüber. Ansonsten herrscht Ruhe. Nicht einmal das Handy setzt sich hier durch: Wir sitzen in einem Funkloch! Immer wieder zieht es mich an den Deich. Hier in der Midlumer Marsch ist dem Deich ein dicker Streifen Vorland vorgelagert, neugewonnenes, dem Meer abgerungenes Land, das nun entwässert und von Schafen sowohl gedüngt als auch gefestigt wird. Der Himmel hier ist so weit, die Wolkenbilder faszinierend und die Sonnenuntergänge einmalig. Jeden Abend aufs Neue. Ich fühle mich wie der Kleine Prinz, der seinen Stuhl ein wenig weiterrückt, um den Sonnenuntergang auf seinem Winzlingsplaneten immer wieder neu zu erleben. Nach wenigen Tagen haben sich die Schafe an mich gewöhnt, und stürmen nicht mehr davon, wenn ich komme. Ich liebe es, die Lämmer, die um Ostern rum geboren worden sind, zu beobachten. Einige sind schon recht mutig und ziehen hinaus in die weite Welt der nächsten Weide. Kommt eine Fremde wie ich, rufen die Mütter ihre Sprößlinge besorgt zu sich. Baah, klingt es dann dumpf. Und BääähBäääh schreien die Kleinen. Sie peilen die Stimmen ihrer Mütter an, und hoppeln los, die Marsch ist recht uneben, und manchmal heißt es auch, einen Zaun zu überwinden. Baaaah! BäääähBäääh! Haben sie ihre Mamas fast erreicht, steigern sie sich zu einer Art Schafsgalopp, und stürzen sich dann heißhungrig an die Euter der geduldigen Mütter. Ein paar ruckartige Züge - das Saugen scheint die Kleinen zu beruhigen. Einmal rennt ein Kleines versehentlich zur falschen Mama. Grob stößt die es fort. Und nun beobachte ich, wie die leibhaftige Mutter empört die Nachbarin konfrontiert. „Wie wagen Sie es, mein Kind so zu behandeln?“ kommuniziert sie. „Dann bringen Sie Ihrem Gör doch gefälligst mal Manieren bei!“ lautet die Antwort. Zwei Schafsköpfe beugen sich zum Angriff, Nase an Nase starren die wolligen, behäbigen Damen einander in die Augen. Ein stummer Austausch findet statt. Darauf beruht es sich, zu einem Kampf kommt es nicht. Von Kämpfen, sprich Prügeleien, wird auch am Himmelfahrtstag auf Föhr nicht berichtet. Und doch gehörte es früher dazu, wenn die Föhrer, jung und alt, an diesem Tag „Rund-Föhr“ liefen. Da gingen dann die Wyker am Deich los, gegen den Uhrzeigersinn, die Dorfbewohner liefen im Uhrzeigersinn. Am Deich, zwischen Dunsum und Oldsum trafen sie aufeinander, und die so entstehenden Prügeleien sind sagenumwoben! Heutzutage wird eher gemeinsam abgekocht oder angestoßen. Und Rund-Föhr gehört immer noch zum Himmelfahrtstag. Ich begnüge mich mit einem kurzen Abschnitt des Deiches und genieße das tolle Wetter. Hier sind die Tage lang, die Nächte kurz. Bis fast Mitternacht bleibt es hell, um 4.30 Uhr geht die Sonne bereits auf.
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