Sonntag, 31. Juli 2011
Mittwoch: Eilun Feer Skuul und Schreibwerkstatt
8. Juni 2011
Mein Tag beginnt früh. Um 8.45 Uhr in der Eilun Feer Skuul im Gymnasium Wyks. Stephanie Metz hat meinen Besuch in den 10. Klassen organisiert. Für mich ist es interessant, mal wieder in einer deutschen Schule zu stehen – dazu meiner alten Schule. Obwohl das Gebäude leider ein Neues ist. Das alte Gymnasium am Südstrand ist durch einen Neubau und einer Regionalschule am Rebbelstieg ersetzt worden. Auch die Lehrer sind mir neu, aber es wäre wohl auch zuviel verlangt, Frau Brandt (meine Englischlehrerin), Herrn Stegemann (Mathe), Herrn Schönfeldt (Bio) oder Herrn Jakob (Geschichte) oder die anderen hier anzutreffen. Einige, wie Herr Mielich, für dessen gründlichen Grammatikunterricht ich später als Deutschlehrerin so dankbar war, sind schon verstorben. Andere, wie meine verehrten Deutschlehrer, Herr Heller und Herr Tholund, sind pensioniert. Aber ich glaube, Lehrer haften so lebendig in den Köpfen ihrer Schüler, man kann sie sich schlecht anders als durch einen Korridor hastend, Schreibhefte unterm Arm, auf den Weg in eine Klasse vorstellen. Schön ist es allerdings, dass ein ehemaliger Föhrer Schüler – Karl Wögens - heute die Schulleitung unter sich hat. Und viele bekannte Föhrer Namen erkenne ich im Kollegium! Wie zuvor in Bad Rappenau und Bad Wimpfen bin ich erstaunt vom Standard des Englischen unter den Schülern. Es ist sehr gut! Zweimal gebe ich zwei Stunden – wir sprechen über Australien und die Bedingungen für eine Auswanderung. Über die Unterschiede zwischen Deutschland und Australien, und Integration in eine fremde Gesellschaft. Die Schüler beeindrucken mich durch ihre Reife, ihre Aufmerksamkeit und auch dadurch, dass sie viel realistischer über ihre Zukunft nachdenken, als ich es in ihrem Alter tat. An Auswanderung ist keiner interessiert. Lieber würden sie einen „working-holiday“ ins Auge fassen! In der dritten Stunde, meiner Freistunde, kann ich schnell einen Besuch im Johanneshaus nebenan einflechten, in dem meine Mutter lebt. Mein Besuch in der Wyker Stadtbücherei am Mittwochabend begann mit einem Brief. Zufällig hatte ich vor zwei Jahren einen Anschlag in der Bücherei bemerkt, der die „Schreibwerkstatt“ anzeigte. Ich schrieb an die Bibliothekarin, und fragte, ob die Schreiber an einem Besuch meinerseits interessiert wären. Mein eigenes Interesse am Lesen und an Büchern begann zu Hause. Unsere Eltern und unsere Tante lasen uns immer vor. Jeder war immer in irgendein Buch vertieft. Aber ich habe auch besonders schöne Erinnerungen an meine frühen Besuche in der Leihbücherei. Damals war die im oberen Stock des Polizeigebäudes in der Königsstraße. Ein kleiner Vorraum wurde von einer hohen Theke begrenzt. Hinter der Theke regierte die Bibliothekarin, und hinter ihr standen regalweise Bücher. In jenen Tagen schoben wir unsere Bücher über die Theke, und die Bibliothekarin mit blitzenden Brillengläsern und einem verschmitzen Lächeln schob uns ihrerseits eine Auswahl von Büchern zu. Daraus durften wir uns drei oder vier aussuchen. Meistens wusste ich schnell, was ich wollte, hatte ich die Bücher doch schon bei meiner älteren Schwester gesehen! Herrliche Abenteuer entdeckte ich in den Büchern und stundenlangen Zeitvertreib. Ich erinnere mich besonders die gestrenge Mary Poppins, die in mir ein leichte Gruseln auslöste. (Die Disney Poppins ist so falsch!) Als ich in der heutigen Stadtbücherei, die sich an unsere alte Grundschule anschließt, den Aushang „Schreibwerkstatt“ sah, war ich beeindruckt. So etwas gab es auf Föhr früher nicht. Wer weiß, vielleicht hätte ich viel früher den Mut zum Schreiben gefunden, wenn ich als Schülerin die Gelegenheit dazu bekommen hätte, oder wenn jemand gesagt hätte: Es ist ok, wenn du schreiben willst ... Frau Dr. Claudia Fuchs hat die Schreibwerkstatt ins Leben gerufen. Und darum geht es in der Schreibwerkstatt: „Das Schreiben als persönliche Ressource, um Kreativität und Selbstausdruck“[1] . Das Motto der Gruppe: „Alles ist gut, solange du schreibst!“ Toll. Frau Dr. Fuchs ist es auch, die auf meinen Brief antwortet, und mich einlädt, nicht nur in der Schreibwerkstatt vorzusprechen (ein Werkstattsgespräch anzubieten!), sondern auch im Café Klein Helgoland zu lesen. Etwas unprofessionell trete ich auf. Anstatt ordentlich getippten, durchdachten Notizen, mit Einleitung, Hauptpunkten und Schluss, trage ich meine Gedanken im Kopf, und schnell hingekritzelt auf einem Blatt Papier, an den Tisch. Aber ich weiß ja, worüber ich sprechen will, immerhin sind wir hier ja Autoren unter uns. Wir alle schreiben. Kämpfen mit Ideen. Quälen uns mit Dialogen. Suchen das beste Wort, den besten Ausdruck, die passendste Bezeichnung und die schönste Beschreibung. Darüber brauche ich nicht zu sprechen. Mehr wird es sie interessieren, denke ich, was passiert, wenn das Buch fertig ist. Wie man einen Verleger findet. Mit dem verhandelt. Was man von einem Verleger erwarten kann, was der von einem erwartet. Was ich übers Marketing gelernt habe. Wie man eine Lesung arrangiert ... Die Zeit verfliegt. Bevor wir uns versehen, haben wir 11/2 Stunden verschnackt, denn das ist es geworden, ein Gespräch unter Kollegen. Dabei habe ich den wohl jüngsten Autoren kennengelernt, der mir bis jetzt begegnet ist. Volli nimmt das Schreiben genauso ernst wie ich. Und genau wie ich einst Schule (als Lehrerin) und Schreiben jonglierte, tut er es. Allerdings sitzt er auf der anderen Seite der Schulbank. Volli ist vierzehn. Zusammen mit einem Feund schreibt er ein Kochbuch – für normale Jungs, die gern kochen. Volli und sein Freund probieren alle ihre Rezepte erst aus. Zu den Rezepten bieten sie Tipps: wie man Zutaten austauschen kann und, noch wichtiger, was schief gehen kann! Gleichzeitig arbeiten sie am Layout – ich bin beeindruckt. Aber auch die anderen Schreiber sind bemerkenswert. Herr Hansen, der aus seinem Interesse an der Gallionsfigur, die das Wyker Friesenmuseum schmückt, angefangen hat, seine Lebenserinnerungen aufzuschreiben. Die Schreiberin, die für ihre Hauptfigur so einen tollen Namen gefunden hat, dass man einfach weiß, der muss was passieren! Frau Diederichsen, die ihre Autobiographie schreibt, von der ich Teile gelesen habe, und die unwahrscheinlich interessant und humorvoll geschrieben sind! Die jungen Frauen, die ihre Geschichten in sich tragen und noch nicht bereit sind, darüber zu sprechen, erinnern mich an mich. Auch ich zeige niemandem etwas Geschriebenes, bis es fertig ist! Ich wünsche allen Schreibwerkstättlern alles Gute und Erfolg. Vor allem, dass sie nicht aufgeben – denn ein fertiggeschriebenes Buch ist genau das. Auch wenn es nie verlegt wird, ist es ein Werk, das man selbst geschaffen hat. Nach der Werkstatt treffe ich meine Schwester, die aus Kiel eingetroffen ist. Lange sitzen wir in Klatt’s Guten Stuben in der Mühlenstraße, speisen ausgezeichneten Fisch, unterhalten uns bis spät in die Nacht ...
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