Dienstag, 2. August 2011
Abschied von Föhr
15. Juni 2011
Zum letzten Mal brause ich in meinem kleinen, pechschwarzen Toyota Yarris die Siedlerstraße entlang, Richtung Wyk. Ich fahre zeitig los, denn ich muss meinen Mietwagen noch volltanken, bevor ich ihn zurückgebe. Oh Schreck – die Tankstelle ist noch geschlossen! Kann man den Tankwart herausklopfen? Ein Schild verweist mich zu einem „Tankautomaten“. Das Ding sieht gemeingefährlich aus ... Nach kurzem Zögern überlege ich, dass wahrscheinlich auch der älteste, autofahrende Föhrer schon einmal außerhalb der Öffnungszeiten getankt hat, und dass es albern ist, sich vor einer Maschine zu ängstigen, die immerhin mit einem normalen Geldautomaten große Ähnlichkeit hat. Ich beschließe, es mutig auszuprobieren. „Stecken Sie Karte ein“, befiehlt die Maschine nach einer freundlichen Begrüßung. Ich stecke. Als nächstes muss ich die Nummer meiner Tanksäule angeben. Dies ist leichter als man denkt! Die Maschine bucht eine angemessene Summe ab, und nun darf ich tanken. Dann kehre ich zur Maschine zurück, gebe noch einmal alles ein, und ruckzuck wird die richtige Summe berechnet. Wer hat denn gesagt, das sei schwer? Herr Simonis, mein freundlicher Autovermieter fährt mich zur Fähre. Das ist Service. Zum ersten Mal fahre ich auf der neuesten Fähre der Wyker Dampfschiffsreederei. In Wyk sind die Gefühle, was die Fähre betrifft, gemischt. Einige loben die schrägen Panoramafenster und die gemütlichen Sessel, auf denen sitzend man das Gefühl hat, dem Kapitän ähnlich, die Fähre zu steuern. Andere beschweren sich über die Holzbänke, die ein, wahrscheinlich nicht Fähr-fahrender Designer, den Passagieren aufgedrängt hat. Auch die Treppe zum Salon ist unheimlich steil. Also nehme ich den Fahrstuhl. Anstatt nach oben, fährt der nach unten. Die Türen öffnen sich, und dort steht mein Cousin Hauke! So eine Überraschung! Hauke kennt sich auf der neuen Fähre aus. Er arbeitet auf dem Festland und fährt täglich hin und her. Er geleitet mich an einen Tisch, der von gepolsterten Bänken umgeben ist, und beginnt feinfühlig, mich von meinem Abschiedsschmerz abzulenken. Er ist ein lieber Mitfahrer, und da er auch nach Niebüll muss, besteigen wir auch gemeinsam die Kleinbahn. Ich hatte auf einen Kurswagen gehofft, der mich von Dagebüll (dem Fährhafen) direkt Mainz fahren würde. Aber meine gute Fee hat sich, nachdem sie das Treffen mit Hauke arrangiert hat, müde auf die Couch gelegt. Eine Bahnfahrt mit vielen Umsteigern steht mir bevor! Sollte jemand eine ähnliche Reise planen: Beim Buchen achtgeben, denn das Umsteigen in Niebüll macht wirklich keinen Spaß. Raus aus der Kleinbahn. Über die Straße zum Hauptbahnhof. Zwei Treppen runter. Einen Fahrstuhl gibt es nicht und das Gepäcklaufband ist schon seit Jahren kaputt. Zwei Treppen rauf auf den Bahnsteig. Mit großem Gepäck ist das keine Freude. Ein Glück lässt Hauke es drauf ankommen, dass er bei der Arbeit verspätet eintrifft, und hilft mir mit meinem Koffer. Im Zug nach Hamburg lasse ich die Schleswig-Holsteinische Landschaft an mir vorbeiziehen. Die grünen Weiden, die Deiche, die einzelnen, reetgedeckten Höfe. Kleine Ortschaften, typische Backsteinhäuser, eng an den Bahnsteig gebaut. Von der Hochbrücke, die über den Nord-Ostseekanal führt, sieht man Schlepper und Containerschiffe, die langsam Richtung Elbe oder Ostsee schippern. In Hamburg Altona muss ich wieder umsteigen. Diesmal in einen ICE, und dank der frühzeitigen Buchung habe ich einen Platz in der ersten Klasse für einen äußerst günstigen Preis ergattert. Dies nenne ich reisen. Ein gemütlicher Sessel, ein Tischchen, Steckdose und Internetanschluss – so etwas gibt es in Australien noch nicht! Da sich nun der Magen meldet und dank vorsichtigen Haushaltens noch genügend deutsches Bargeld vorhanden ist, beschließe ich, mir ein Mittagessen im Speisewagen zu spendieren. Der Service ist vorzüglich – das Essen auch. Und dazu die herrliche Landschaft, die draußen an den Fenstern vorbeizieht. Je südlicher wir kommen, desto hügeliger wird es. Kleine Dörfer schmiegen sich in Talmulden. Dann folgen wir dem Rhein. Rechts und links erheben sich Berge. Burgen und Burgruinen blicken auf uns herab. Gegen 16 Uhr trifft der Zug in Frankfurt ein. Noch einmal muss ich umsteigen, diesmal in eine Regionalbahn nach Mainz. Anscheinend ist auch ein Jugendorchester aus Japan unterwegs. Mit ihren Instrumenten, die allesamt größer als ihre schlanken, zart-gebauten Besitzer erscheinen, drängen sie sich durch die engen Gänge, auf der Suche nach einem Sitzplatz. Auf halbem Wege durch den Wagon erreiche ich einen Engpass. Hier stehe ich mit meinem großen Koffer, einem kleinen Rollkoffer (Kabinengepäckgröße) und meinem Rucksack. Mir gegenüber ein junger Mann mit einem Kontrabass. Hinter mir eine Schlange schnatternder Japaner, hinter ihm ditto. „Das machen wir jetzt mal so“, erklingt eine energische Stimme neben mir. „Sie schieben Ihren großen Koffer da unter den Tisch, und dann setzen Sie sich erstmal hier hin.“ Bevor ich’s mich versehe, strecken sich hilfreiche Hände aus. Jemand zieht meinen großen Koffer aus dem Weg, jemand anderes macht Platz für den Rollikoffer. Ich sinke dankbar auf den angewiesenen Platz, den ich vor lauter Aufregung gar nicht bemerkt hatte. Die energische Frau leitet inzwischen den Kontrabass um, und der Stau löst sich auf. Um mich herum freundlich lächelnde Gesichter, ich werde in das Gespräch mit einbezogen. Und ich merke, seitdem ich mich heute Morgen von Hauke verabschiedet habe, habe ich mit niemandem außer dem Schaffner und der Kellnerin gesprochen. Ich bin in wieder in Süddeutschland eingetroffen! Hier kümmern die Leute sich umeinander! In Mainz werde ich von meinen Freunden abgeholt, und der Kreis, der vor sechs Wochen genau hier begann, schließt sich. Auf ihrer herrlichen Terrasse, bei einem vorzüglichen Spargelessen erzählen wir bis spät in die Nacht. Macht nichts, morgen im Flugzeug kann ich den Schlaf aufholen ...
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