Dienstag, 2. August 2011
Herzlich willkommen auf meinem blogspot: Autorin auf Reisen
Hier können Sie mich, die Autorin Sabine Nielsen, auf meiner sechswöchigen Lesereise durch Deutschland verfolgen. Die Reise begann im Mai 2011 und gab mir die Gelegenheit, an verschiedenen Orten und in verschiedenen Bundesländern mein neuestes Buch, den vierten Teil einer Föhrer Familiengeschichte über zwei detektiv-spielende Tanten, vorzustellen. Wenn es Sie interressiert, wie eine deutsche Autorin, die in Australien lebt und auf deutsch schreibt, so eine Lesereise erlebt, und was sie dabei lernt, und wen sie unterwegs trifft, dann lade ich Sie ein, mal in meinem blogspot herumzuschnuppern. Ach ja, und wenn Sie sich heute zum ersten Mal einschalten, erinnern Sie sich, dass Sie sozusagen rückwärts lesen – vom Ende zum Anfang ... Also, viel Spaß beim Lesen! Sabine Nielsen
PS: Für Rechtschreibefehler bitte ich um freundliche Nachsicht. Es ist unheimlich schwer, der eigene Lektor zu sein. Eine professionelle Lektorin erklärte mir mal, man selbst übersehe viele Fehler, weil man ja weiß, was man schreiben wollte, und das Auge sieht, was es zu sehen erwartet! Na, also!
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Charlotte Frohmacher blogspot
Flug nach Australien
16. Juni 2011
Ich fliege sehr gern mit der Singapore Airline. Irgendwie klappt immer alles. Verspätungen habe ich noch nie erlebt. Ich bekomme den Sitzplatz, um den ich gebeten habe. Die Flugbegleiter sind freundlich und diesmal ist sogar das Essen ausgezeichnet! Nachdem ich bestimmt alle Menüsorten ausprobiert habe, vegetarisch, asiatisch, Gluten frei, habe ich diesmal „low carbohydrate“ bestellt. Und wirklich, die Mahlzeiten ohne Kohlehydrate, mit viel Fleisch, Fisch und frischem Gemüse sind köstlich! Auch der Flughafen in Singapur gefällt mir. Er ist großzügig angelegt. So großzügig, dass sich trotz der vielen An- und Abflüge die Menschenmassen schnell verlaufen, und man nie das Gefühl hat, man hätte sich versehentlich in den Neujahrsausverkauf eines großen Kaufhauses verirrt. Ich bin kein Shopper, kann mich also nicht über die Qualität oder die Kosten der angebotenen Waren auslassen. Ich strebe meist sofort dem Airporthotel zu. Für einen geringen Preis kann man dort nämlich duschen. Nichts ist schöner, als sich nach dem langen Flug von heißem Wasser berieseln zu lassen. Handtücher, Shampoo, ein Fön werden gestellt. Danach besuche ich eins der örtlichen Restaurants oder Cafés, und dann suche ich mir eine ruhige Ecke. Davon gibt es genug – sogar wunderbar bequeme Liegecouchs gibt es. Natürlich kann man auch den Schmetterlings- oder den Orchideengarten besuchen, aber mich lockt eine Fußmassage. Die kann man sich von einem erfahrenem Masseur bestellen lassen, aber fast genau so gut (und umsonst) sind die automatischen Fußmassagegeräte. Sicher, sie können einem Vergleich mit dem elektrischen Stuhl nicht ganz umgehen, und wenn man den Massageapparatus erstmal anstellt, gibt es (fast) kein Entfliehen – aber sie wirken Wunder! Eine Viertel- oder Halbestunde auf diesen weichen Sesseln, die Füße und Unterschenkel fest vom Massagegerät umklammert, lösen ein fast euphorisches Hochgefühl aus. Ich habe meinen Mini PC, mein e-book (oder wie der Mann meiner Cousine sagt: mein Mäusekino) dabei, und ich bearbeite meinen blog, während die Flugstunden, nur von der Essenszufuhr unterbrochen, langsam vorbeischleichen. Arbeit im Flugzeug ist sogar noch besser als zweitrangige Filme – die Lider werden schwer, ich nicke ein. Immer wieder. Und irgendwann kommt dann doch die langersehnte Durchsage: Melbourne wird angeflogen. Kann es sein? Sollen wir wirklich aus dieser virtuellen Scheinwelt erlöst werden, der wir uns hingegeben haben, da uns ja nichts anderes übrigbleibt? Tatsächlich, die Türen öffenen sich, es kommt Bewegung in die mit Handgepäck beladene Schlange. Wir werden durch Tunnel, durch Korridore, durch den Duty Free geschleust ... Channel Seven filmt heute am Flughafen. Wenn Sie nicht gefilmt werden möchten, sprechen Sie bitte jemanden an. Wen? Mir ist alles egal, ich will nur raus hier, mich wieder als Person und Mensch fühlen. Noch einmal eine Schlange. Warum stehen mehr Zollbamten für die wenigen Australier bereit, die einen australischen Pass besitzen, während Gäste, Besucher, und permanent residents sich durch einen Irrgarten von Abgrenzungen quälen müssen, um in dieses Land eingelassen zu werden? Wollen sie uns etwa nicht? Endlich bin ich dran. Ein kurzer Blick, ein Stempel, fertig. War das die lange Warterei wert? Mehr Glück habe ich am Gepäckband. Mein Koffer kreiselt auf mich zu, kaum habe ich mich angestellt. Und zu verzollen habe ich auch nichts ... Ich trete in die frische, kühle Nachtluft und werde von meiner Familie in Empfang genommen. Gustav und Otto, die Königspudel, jaulen und winseln vor Freude. Mein Lebensgefährte täte es ihnen nach, wenn ihn nicht die gute Erziehung, die seine Mutter ihm zukommen ließ, zurückhalten würde. Aber er zeigt seine Freude auch so. Ich bin wieder daheim.
Abschied von Föhr
15. Juni 2011
Zum letzten Mal brause ich in meinem kleinen, pechschwarzen Toyota Yarris die Siedlerstraße entlang, Richtung Wyk. Ich fahre zeitig los, denn ich muss meinen Mietwagen noch volltanken, bevor ich ihn zurückgebe. Oh Schreck – die Tankstelle ist noch geschlossen! Kann man den Tankwart herausklopfen? Ein Schild verweist mich zu einem „Tankautomaten“. Das Ding sieht gemeingefährlich aus ... Nach kurzem Zögern überlege ich, dass wahrscheinlich auch der älteste, autofahrende Föhrer schon einmal außerhalb der Öffnungszeiten getankt hat, und dass es albern ist, sich vor einer Maschine zu ängstigen, die immerhin mit einem normalen Geldautomaten große Ähnlichkeit hat. Ich beschließe, es mutig auszuprobieren. „Stecken Sie Karte ein“, befiehlt die Maschine nach einer freundlichen Begrüßung. Ich stecke. Als nächstes muss ich die Nummer meiner Tanksäule angeben. Dies ist leichter als man denkt! Die Maschine bucht eine angemessene Summe ab, und nun darf ich tanken. Dann kehre ich zur Maschine zurück, gebe noch einmal alles ein, und ruckzuck wird die richtige Summe berechnet. Wer hat denn gesagt, das sei schwer? Herr Simonis, mein freundlicher Autovermieter fährt mich zur Fähre. Das ist Service. Zum ersten Mal fahre ich auf der neuesten Fähre der Wyker Dampfschiffsreederei. In Wyk sind die Gefühle, was die Fähre betrifft, gemischt. Einige loben die schrägen Panoramafenster und die gemütlichen Sessel, auf denen sitzend man das Gefühl hat, dem Kapitän ähnlich, die Fähre zu steuern. Andere beschweren sich über die Holzbänke, die ein, wahrscheinlich nicht Fähr-fahrender Designer, den Passagieren aufgedrängt hat. Auch die Treppe zum Salon ist unheimlich steil. Also nehme ich den Fahrstuhl. Anstatt nach oben, fährt der nach unten. Die Türen öffnen sich, und dort steht mein Cousin Hauke! So eine Überraschung! Hauke kennt sich auf der neuen Fähre aus. Er arbeitet auf dem Festland und fährt täglich hin und her. Er geleitet mich an einen Tisch, der von gepolsterten Bänken umgeben ist, und beginnt feinfühlig, mich von meinem Abschiedsschmerz abzulenken. Er ist ein lieber Mitfahrer, und da er auch nach Niebüll muss, besteigen wir auch gemeinsam die Kleinbahn. Ich hatte auf einen Kurswagen gehofft, der mich von Dagebüll (dem Fährhafen) direkt Mainz fahren würde. Aber meine gute Fee hat sich, nachdem sie das Treffen mit Hauke arrangiert hat, müde auf die Couch gelegt. Eine Bahnfahrt mit vielen Umsteigern steht mir bevor! Sollte jemand eine ähnliche Reise planen: Beim Buchen achtgeben, denn das Umsteigen in Niebüll macht wirklich keinen Spaß. Raus aus der Kleinbahn. Über die Straße zum Hauptbahnhof. Zwei Treppen runter. Einen Fahrstuhl gibt es nicht und das Gepäcklaufband ist schon seit Jahren kaputt. Zwei Treppen rauf auf den Bahnsteig. Mit großem Gepäck ist das keine Freude. Ein Glück lässt Hauke es drauf ankommen, dass er bei der Arbeit verspätet eintrifft, und hilft mir mit meinem Koffer. Im Zug nach Hamburg lasse ich die Schleswig-Holsteinische Landschaft an mir vorbeiziehen. Die grünen Weiden, die Deiche, die einzelnen, reetgedeckten Höfe. Kleine Ortschaften, typische Backsteinhäuser, eng an den Bahnsteig gebaut. Von der Hochbrücke, die über den Nord-Ostseekanal führt, sieht man Schlepper und Containerschiffe, die langsam Richtung Elbe oder Ostsee schippern. In Hamburg Altona muss ich wieder umsteigen. Diesmal in einen ICE, und dank der frühzeitigen Buchung habe ich einen Platz in der ersten Klasse für einen äußerst günstigen Preis ergattert. Dies nenne ich reisen. Ein gemütlicher Sessel, ein Tischchen, Steckdose und Internetanschluss – so etwas gibt es in Australien noch nicht! Da sich nun der Magen meldet und dank vorsichtigen Haushaltens noch genügend deutsches Bargeld vorhanden ist, beschließe ich, mir ein Mittagessen im Speisewagen zu spendieren. Der Service ist vorzüglich – das Essen auch. Und dazu die herrliche Landschaft, die draußen an den Fenstern vorbeizieht. Je südlicher wir kommen, desto hügeliger wird es. Kleine Dörfer schmiegen sich in Talmulden. Dann folgen wir dem Rhein. Rechts und links erheben sich Berge. Burgen und Burgruinen blicken auf uns herab. Gegen 16 Uhr trifft der Zug in Frankfurt ein. Noch einmal muss ich umsteigen, diesmal in eine Regionalbahn nach Mainz. Anscheinend ist auch ein Jugendorchester aus Japan unterwegs. Mit ihren Instrumenten, die allesamt größer als ihre schlanken, zart-gebauten Besitzer erscheinen, drängen sie sich durch die engen Gänge, auf der Suche nach einem Sitzplatz. Auf halbem Wege durch den Wagon erreiche ich einen Engpass. Hier stehe ich mit meinem großen Koffer, einem kleinen Rollkoffer (Kabinengepäckgröße) und meinem Rucksack. Mir gegenüber ein junger Mann mit einem Kontrabass. Hinter mir eine Schlange schnatternder Japaner, hinter ihm ditto. „Das machen wir jetzt mal so“, erklingt eine energische Stimme neben mir. „Sie schieben Ihren großen Koffer da unter den Tisch, und dann setzen Sie sich erstmal hier hin.“ Bevor ich’s mich versehe, strecken sich hilfreiche Hände aus. Jemand zieht meinen großen Koffer aus dem Weg, jemand anderes macht Platz für den Rollikoffer. Ich sinke dankbar auf den angewiesenen Platz, den ich vor lauter Aufregung gar nicht bemerkt hatte. Die energische Frau leitet inzwischen den Kontrabass um, und der Stau löst sich auf. Um mich herum freundlich lächelnde Gesichter, ich werde in das Gespräch mit einbezogen. Und ich merke, seitdem ich mich heute Morgen von Hauke verabschiedet habe, habe ich mit niemandem außer dem Schaffner und der Kellnerin gesprochen. Ich bin in wieder in Süddeutschland eingetroffen! Hier kümmern die Leute sich umeinander! In Mainz werde ich von meinen Freunden abgeholt, und der Kreis, der vor sechs Wochen genau hier begann, schließt sich. Auf ihrer herrlichen Terrasse, bei einem vorzüglichen Spargelessen erzählen wir bis spät in die Nacht. Macht nichts, morgen im Flugzeug kann ich den Schlaf aufholen ...
Letzte Tage auf Föhr
Montag und Dienstag, 13. und 14. Juni
Wie so oft wache ich früh auf und beginne ich den Tag mit Mails und mit dem Aufladen der Photos. Ein Photo lässt mich lächeln. Ich hatte das Auto auf dem Weg nach Hause angehalten, um ein besonders imposantes Wolkenspiel zu photographieren. Als ich mich umdrehte, hatte sich hinter mir am Zaun eine Reihe von Kühen versammelt. Interessiert, mit großen, feuchten Augen, verfolgten sie mein Tun. Also wurden sie auch aufgenommen. Dann ist es Zeit für einen Deichspaziergang, und auch die Blumen und Gräser in meinen Vasen müssen erfrischt werden. Um ein Uhr bin ich mit einer Freundin verabredet, die sich einst, als es wirklich notwendig war, als die beste Freundin überhaupt erwies. Zwei Jahre haben wir aufzuholen und nur einen Nachmittag!
Am Dienstag flitze ich nach Wyk, um ein paar Einkäufe zu erledigen und ein Paket zur Post zu bringen. Einige Dinge, die garantiert nicht in den Koffer passen werden! Als ich zurückkomme, ist meine Schwester aus Kiel schon da – sie wollte auch mal die Fahrradtour in die Marsch hinaus probieren. Wie ich ist sie begeistert von der Stille, der Weite, den Vögeln ... Ich brutzel uns etwas Putenfleisch mit Gemüse zum Mittagessen. Es ist schön, mal wieder Ruhe zum Kochen zu haben, und auch einfach Gastgeberin zu sein, anstatt immer selbst der Gast, wie es auf dieser Reise ja sooft der Fall war. Es ist so warm, dass wir draußen im Garten sitzen. Noch einen Besuch habe ich vor mir. Ein Schulkamerad, den ich ewig nicht gesehen habe, und seine Frau haben mich zum Kaffee eingeladen. Wie so oft ist Australien das Thema, aber dann sind wir auf einmal bei unserer Schulzeit angelangt. Diederich war im wissenschaftlichen Zweig, ich im sprachlichen. Also hatten wir nur einige gemeinsame Stunden. Ich dachte, wir hatten es teilweise schlimm getrieben, und unsere Lehrer böse geärgert – aber es stellt sich heraus, die im wissenschaftlichen Zweig waren erbarmungslos! Viel schlimmer als wir! Schließlich verabschiede ich mich von meiner Familie, und ja, das Kofferpacken ist auch noch dran. Aber darin bin ich inzwischen so geübt, dass geht fast im Schlaf ... Am nächsten Morgen heißt es früh aufstehen. Die Fähre fährt um halb acht ab.
Pfingstsonntag auf Föhr
12. Juni 2011
Als wir Kinder waren, bekamen wir zu Pfingsten stets neue Kleider. Ich erinnere mich an einen Besuch in der Kinderabteilung des Textilhauses Knudsen in Wyk (bevor es zur Lebensmittelhandlung wurde). Meine Mutter zog meine ältere Schwester und mich gern gleich oder zumindest ähnlich an. Diesmal verließen wir das Geschäft in identischen, karierten Kleidern aus einem glänzenden Stoff, der unterwärtig mit einer Art Leim bestrichen gewesen sein muss, jedenfalls waren die Kleidchen unheimlich steif und fast unbeweglich. Ich fand meins unheimlich schön. Es war rosa, das meiner Schwester blau. Kürzlich erzählte meine Schwester mir, dass sie sich nach dem ersten Mal weigerte, das Ding zu tragen. Was vielleicht erklärt, dass die Kleider nie an unseren jüngeren Schwestern auftauchten, wie es sonst üblich gewesen wäre. Eine andere Tradition auf Föhr war das Warten auf die Pfingstwagen. Früher wurden die Pfingstwagen von Pferden gezogen. Auf Wagen, die sonst vielleicht Heu hielten, saßen auf zwei langen Bänken, sich gegenüber, junge Frauen und Männer in ihrem besten Sonntagszeug. Die Wagen waren mit zartem Maigrün herausgeputzt. Die jungen Leute sangen. Ich glaube, es war mein Opa, der mir erklärte, um da mitzufahren, musste man konfirmiert, aber noch nicht verheiratet sein. In erinnere mich, dass ich mir innigst wünschte, auf so einem Pfingstwagen sitzen zu dürfen. Ich habe es nie geschafft. Anstatt auf den Pfingswagen klettere ich am Pfingstsonntagmorgen auf mein Fahrrad. Das Wetter ist herrlich, und ich habe mir vorgenommen, den Deich entlang nach Wyk zu radeln. Es ist wunderschön. Der Himmel ist blau, das Meer spiegelt sich in der Sonne, die Schafe, die sich auf dem Fahrradweg zum Ausruhen niedergelassen haben, lassen sich nicht von einem einzelnen Fahrradfahrer stören. Eine lange Zeit begegne ich keiner Menschenseele, und erst nach Näshorn, dieser kleinen Ausbuchtung der Insel, muss ich gegen den Wind anstrampeln. Ein und eine viertel Stunde brauche ich, dann habe ich Wyk erreicht. Meine Tante und Schwester erwarten mich zum Frühstück auf der Veranda. Auch das ist eine Tradition, so wie das Wetter warm genug ist, wird bei meiner Tante das Frühstück auf der Veranda eingenommen. Und am Sonntag gibt es zwei weich gekochte Eier! Weil ich endlich Zeit habe, und weil es schwer ist, alle vier Schwestern gemeinsam auf die Insel zu bekommen (zwei leben in Kiel), haben wir uns heute verabredet – im Café am Wellenbad sitzen wir in großzügigen Korbsesseln, bei weitgeöffneten Türen mit Blick auf den Strand und das Meer und verplauschen die Zeit. Bei uns Schwestern ist es anders als bei Freunden. Wir brauchen eine Weile, um uns aneinander heranzutasten. Aufmerksam, angestengt fast, hören wir auf einander – so gut kennen wir uns, dass wir auf die Untertöne, die Stimmlagen, das Unausgedrückte horchen, die uns die Seelenlage jeder angeben. Besser als durch ausgetauschte Briefe oder Telefonate finden wir uns so wieder: Wo warst du? Was hast du erlebt? Dann erst entspannen wir uns, fallen in den schwesterlichen Jargon, den wir uns über Jahre hinweg angewöhnt haben. Weißt du noch ... Wenige Worte genügen, und schon schwelgen wir gemeinsam in einer Kindheitserinnerung. Später machen wir einen langen Strandspaziergang. So schön ist es, dass man sogar ins Watt laufen kann. Als es beginnt zu fluten, kehren wir zurück. Pitschis ist eins der beiden Strandlokale, die seit der Promenadenerweiterung errichtet worden sind, und deren Tische direkt auf dem Sand stehen. Das schöne Wetter hat viele Leute rausgelockt. Alle Tische sind besetzt, und es dauert, bis die Kellnerin rumkommt. „Machen Sie sich keine Sorge um die Karte“, beteuert ein Gast am Nebentisch. „Ich bestell lieber gleich, sonst muss ich nochmal eine Runde abwarten, bevor Sie wieder an unseren Tisch kommen!“ Er sagt es ganz freundlich. Das Wetter ist so schön, und niemand will die junge Kellnerin, die allein das Strandgeschäft bewältigt, verärgern! Ich bestelle marinierte Hühnerflügel, die wir manchmal zu Hause essen, die ich aber noch nicht in Deutschland gesehen habe. Herrlich gewürzt sind sie, und krosch gegrillt. Am Abend fahre ich durch die Marsch zurück auf meinen Hof. Eine meiner Schwestern begleitet mich, weil der Abend so still ist und zu einem Ausflug einlädt. Dieter Risse, der Hofbesitzer und Vorsitzende des Vereins, der für das Vogelschutzgebiet Elmeere verantwortlich ist, ist da. Er hat ein Nest mit Kiebitzeiern auf einem Baugebiet gefunden und gerettet. In der Brutanlage bei der Villa Friede in Wyk sind sie ausgebrütet worden. Nun sollen die jungen Kiebitze in einem Freigehege langsam an das Leben in der freien Natur gewöhnt werden. Dieter bietet uns eine „Führung“ an. Mit starken Ferngläsern und anhand einer Webcam zeigt er uns die verschiedenen Vögel, die auf dem Feuchtgebiet brüten, gräsen oder auch nur ausruhen. Langsam färbt der Himmel am Deich sich rosarot, durchstreift von Wolkenfetzen.
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